BGH entscheidet: Müssen Blitzer Rohdaten speichern?
Der Bundesgerichtshof (BGH) steht kurz vor einer richtungsweisenden Entscheidung: Müssen Geschwindigkeitsmessgeräte zukünftig sämtliche Messdaten speichern, um die Fairness von Gerichtsverfahren zu gewährleisten?

Inhaltsverzeichnis
- Blitzer-Daten: Transparenz und Nachvollziehbarkeit
- Die Problematik fehlender Rohdaten
- Der Präzedenzfall aus dem Saarland
- Unterschiedliche Rechtsauffassungen im Überblick
- Potenzielle Auswirkungen für Ihren Bußgeldbescheid
- Die Entscheidung liegt nun beim BGH
Blitzer-Daten: Transparenz und Nachvollziehbarkeit
Stellen Sie sich vor, Sie erhalten einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Selbstverständlich möchten Sie die Grundlage der Messung überprüfen können. Doch hier beginnt die Herausforderung: Viele moderne Geschwindigkeitsmessgeräte erfassen lediglich das Endergebnis – Ihre gemessene Geschwindigkeit. Die zugrundeliegenden „Rohdaten“, also die einzelnen Messwerte, die zu diesem Ergebnis führen, werden jedoch häufig nicht dauerhaft gespeichert.
Diese fundamentale Frage nach der Messdatentransparenz beschäftigt aktuell die Gerichte bis hin zur höchsten Instanz, dem Bundesgerichtshof. Ein Gericht im Saarland hat mit seiner jüngsten Einschätzung eine ganz eigene Perspektive eingebracht, die das bisherige Verständnis erheblich verändern könnte.
Die Problematik fehlender Rohdaten
Als Betroffener eines Bußgeldverfahrens haben Sie das Recht, die zur Last gelegten Messdaten einzusehen. Dies ist essenziell für eine effektive Rechtsverteidigung und die Überprüfung der Korrektheit der Messung. Die Praxis zeigt jedoch ein Problem:
- Moderne Messgeräte zeichnen oft nur die finale Geschwindigkeitsangabe auf.
- Die umfassenden „Rohdaten“, aus denen diese Endgeschwindigkeit ermittelt wird, bleiben häufig ungespeichert oder werden unmittelbar gelöscht.
- Ohne diese detaillierten Rohdaten ist eine fundierte Überprüfung der Messung im Nachhinein für Sie nahezu unmöglich.
Diese Diskrepanz – die Forderung nach Zahlung eines Bußgeldes ohne die Möglichkeit, die Messgrundlage vollständig zu kontrollieren – bildet den Kern der nun vom BGH zu klärenden Frage. Das Oberlandesgericht (OLG) Saarland hat diesen Sachverhalt explizit dem BGH zur Entscheidung vorgelegt (Az. 1 Ss (OWi) 112/24) und dazu eine offizielle Pressemitteilung veröffentlicht.
Der Präzedenzfall aus dem Saarland
Ausgangspunkt dieser juristischen Debatte ist der Fall eines Kraftfahrers aus St. Ingbert. Er wurde wegen einer angeblichen Geschwindigkeitsüberschreitung von 35 km/h geblitzt und sollte ein Bußgeld von 250 Euro zahlen. Der Mann sah dies als ungerechtfertigt an und legte mit anwaltlicher Unterstützung Rechtsbeschwerde gegen das Urteil ein.
- Sein zentrales Argument: Die Unmöglichkeit der Messungsüberprüfung aufgrund fehlender Rohdaten.
- Dies verletze seiner Auffassung nach grundlegende Verfassungsrechte auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren.
- Der Fall zwingt den BGH nun dazu, sich mit einer fundamentalen Frage des deutschen Verkehrsrechts auseinanderzusetzen.
Unterschiedliche Rechtsauffassungen im Überblick
Die Frage der Rohdatenspeicherung ist juristisch vielschichtig und wird von verschiedenen Gerichten unterschiedlich bewertet, was eine erhebliche Rechtsunsicherheit erzeugt:
- Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich bereits 2022 dazu geäußert, jedoch keinen generellen Anspruch auf Rohdatenspeicherung postuliert.
- Die Mehrheit der deutschen Oberlandesgerichte vertrat bislang die Ansicht, dass eine umfassende nachträgliche Überprüfung der Messung nicht zwingend sei, da standardisierte Messverfahren eine ausreichende Genauigkeit gewährleisten würden.
- Demgegenüber hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes bereits 2019 entschieden: Messergebnisse von Blitzern wie dem Traffistar S350, die keine Rohdaten speichern und somit eine Überprüfung unmöglich machen, sind unverwertbar. Die Richter betonten, dass ohne Überprüfungsmöglichkeit keine faire Verteidigung möglich ist und dies rechtsstaatlichen Prinzipien widerspricht.
Potenzielle Auswirkungen für Ihren Bußgeldbescheid
Der saarländische Verfassungsgerichtshof hat in seinem Urteil nachdrücklich betont: Jeder Bürger muss die Möglichkeit erhalten, die Grundlagen seiner Verurteilung nachzuvollziehen, anzufechten und zu überprüfen. Dies ist ein fundamentaler Pfeiler unseres Rechtsstaats.
- Sollte der BGH dieser Rechtsauffassung folgen, könnte dies Ihre Möglichkeiten zur erfolgreichen Anfechtung von Bußgeldbescheiden erheblich erweitern.
- Ihre Position bezüglich der Transparenz von Messdaten bei Geschwindigkeitsüberschreitungen würde maßgeblich gestärkt.
- Die Entscheidung könnte eine Welle von gerichtlichen Überprüfungen auslösen und die deutschen Behörden dazu anhalten, ihre Blitzertechnik entsprechend anzupassen oder zu modernisieren.
Die Entscheidung liegt nun beim BGH
Das Oberlandesgericht im Saarland befindet sich in einer besonderen Situation: Es ist an die Rechtsauffassung seines eigenen Verfassungsgerichtshofs gebunden, würde aber gleichzeitig von der Linie der anderen Oberlandesgerichte abweichen. Um diese essentielle Rechtsfrage endlich höchstrichterlich zu klären, hat das OLG den Fall nun dem Bundesgerichtshof (BGH) vorgelegt.
Der BGH muss nun die entscheidende Frage beantworten: Dürfen Messergebnisse von Geschwindigkeitsmessgeräten, die keine Rohdaten dauerhaft speichern, in einem Gerichtsverfahren verwendet werden, wenn der Betroffene die Überprüfung fordert und keine anderen effektiven Verteidigungsmöglichkeiten hat?
Sollte der BGH der Argumentation des saarländischen Verfassungsgerichtshofs folgen und diese Frage mit einem klaren „Nein“ beantworten, wären die Konsequenzen weitreichend: Zahlreiche aktuell in Betrieb befindliche Geschwindigkeitsmessgeräte in Deutschland müssten wahrscheinlich ausgetauscht oder umfassend modernisiert werden!
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